Edmund Gunter und seine Rechen- und Navigationsgeräte

Titelabbildung

The Works of Edmund Gunter:
Containing the description and Use of the
Sector, Cross-staff, Bow, Quadrant,
And other Instruments.
With a Canon of Artificial Sines and Tangents to a Radius of 10.00000 parts, and the Logarithms from Unite to 100000:
The Uses whereof are illustrated in the Practice of
Arithmetick, geometry, Astronomy, Navigation, Dialling and Fortification.
And some Questions in Navigation added by Mr. Henry Bond, Teacher of mathematicks in Ratcliff, near London.
To which is added,
The Description and Use of another Sector and Quadrant, both of them invented by Mr. Sam. Foster, Late Professor of Astronomy in Gresham Colledge, London, furnished with more Lines, and differing from those of Me. Gunter′s both in form and manner of Working.
The Fifth Edition,
Diligentyl Corrected, and divers necessary Things and Matters (pertinent thereunto) added, throughout the whole work, not before Printed.
By William Leybourne, Philomath.
London
Printed by A.C. for Francis Eglesfield at the Marigold in St. Pauls Church-yard. MDCLXXIII.

Edmund Gunter (* 1581 † 1626) wird gelegentlich als einer der Erfinder des Rechenschiebers genannt (z.B. Florian Cajori: The History of the Logaritmic Slide Rule, Colorado 1909; Otto van Polje: Gunter Rules in Navigation, Amsterdam, 2003). Für mich nachprüfbar ist, dass er wohl als erster verschieden gradierte (loga­rith­mische?) Skalen zum Rechnen von typischen Navi­ga­tions­auf­gaben (terrestrische und Astronavigation) einführte und Kapitäne der englischen Marine in Navigation — mit Mercator-Karten — und Rechen­methoden unterrichtete.

Nach Capitän Ludwig Jerrmann (Die Gunterscale, Hamburg 1888), stammt Edmund Gunter aus Hertfordshire (England). Er sei in frühester Jugend für den geistigen Stand bestimmt gewesen und habe am Christchurch College in Oxford Theologie studiert und sei anschliessend als Prediger tätig gewesen. Später habe er sich der Mathematik zugewandt.

Der Katalog der wissenschaftlichen Gemeinschaft (Project Galileo, Rice University) gibt mehr Details. Gunter war walisischer Herkunft (über die Eltern ist nichts bekannt). Er ging auf die Westminster Schule und studierte am Christ Church College in Oxford (1599 bis 1615) zum Magister Artium und Theologie (M.A. 1603, B.D. 1615). Er wurde zum Priester geweiht und war Pfarrherr der Kirche St. George′s in Southwark (1615-1626). Auf Empfehlung von Briggs wurde er Professor für Astronomie am Gresham College.

Er wird als kompetenter aber unorigineller Wissenschaftler beschrieben, dessen Hauptziele eher praktischer Natur waren. Er beschäftigte sich mit wissenschaftlichen Instrumenten, Angewandter Mathematik, Navigation, Kartographie und — nebenher — mit Magnetismus. Berühmt wurde Gunter durch seine Bücher (erstmalig in nicht-lateinischer Sprache) zum Cross-Staff (1623) und seine Anleitungen zu Logarithmen.

Viele der Autoren, die über Gunter schreiben, haben seine Bücher offensichtlich nicht gelesen. Mir fiel eine Kopie der gesammelten Werke The Works of Edmund Gunter, 5th Edition, London 1673 (bearbeitet und ergänzt von William Leybourne in der Universitätsbibliothek Mannheim in die Hände (nach einem Hinweis von Dr. Klaus Kühn), und ich habe mir einen kompletten Scan (TIFF-Dateien) anfertigen lassen. Kopien mache ich gerne für einen Unkostenbeitrag von € 10,00 (plus Porto ausserhalb des Bereichs der Deutschen Post).

Das Werk gliedert sich in drei Bücher über den Sektor, drei Bücher über den Gebrauch des "Cross-Staff" (ein sehr altes Instrument zur Messung von Gestirnshöhen), eine Tabelle der Sinus- und Tangenswerte und ihrer Logarithmen, eine Einführung in den Gebrauch der Briggsschen Logarithmen mit einer entsprechenden Logarithmentafel. Ausserden enthält es ein paar spätere Ergänzungen zu verbesserten Sektoren und Quadranten. Die Logaritmentafel hat Gunter mit Erlaubnis seines Freundes Briggs abgedruckt. Alle Kapitel behandeln Navigationsaufgaben! Nur an ein paar Stellen wird kurz auf die Umrechnung von Volumenmaßen, die Berechnung von Geschützen oder Festungsanlagen eingegangen.

In Wahrheit taucht in der vorliegenden 5. Auflage von Gunter's Works eine logarithmisch geteilte Skala auf: beim Crossstaff. Und sie wird auch tatsächlich zu Multiplikation und Division durch Addition von Strecken verwendet. Und auch auf dem Sector finden sich logarithmische Skalen, allerdings erst in der verbesserten Version von Samuel Foster aus dem Jahre 1673!

Da es nicht ganz einfach ist, sich in "Gunters Works" zurecht zu finden, habe ich eine kurze Übersicht zusammen gestellt.

 

The Works of Edmund Gunter

 

5th Edition 1673




 Epistle Dedicatory
 William Leybourne to the Reader
 The First Book of the Sector (Volltext!)
 The Second Book of the Sector (Volltext!)
 The Third Book of the Sector (Volltext!)
 The Sector Altered by Samuel Foster



 The Cross-Staff in Three Books
 The First Book of the Cross-Staff (Volltext!)
 The Second Book of the Cross-Staff (Volltext!)
 An Appendix Concerning the description and use of an Instument, made in form of a Cross-bow, for more easie finding of the Latitude at Sea. (Volltext!)
 The Third Book of the Cross-Staff (Volltext!)
 An Appendix concerning the Description and Use of a small Portable Quadrant. (Volltext!)
 Description of Another Quadrant by Sam. Foster



 The General Use of the Canon and Tables of Logarithms (weitgehend Volltext!)
 Canon Triangulorum, or a Table of Artificial Sines and Tangents. (Volltext! Originaltabellen als PDF!)
 Lectori practice Matheseos Studioso
 Ten Chiliades of Logarithms (Originaltabellen als PDF!)
 Advertisement Concerning the Logarithms


Fußnote:
Gresham College wurde 1575 im Londoner Stadtteil Bishopsgate als erste Universität nach Cambridge und Oxford (beide als "klassische" Universitäten, 1546) gegründet mit den Fakultäten Mathematik und Astronomie, um die Navigation weiter zu entwickeln, besonders die Bestimmung der geografischen Länge auf See. Hier wurde 1610 die Royal Society gegründet, und ab 1710 trafen sich deren Mitglieder hier. Die thematische Ausrichtung des Gresham Colleges wird in einem Gedicht hervorgehoben:

This College will the whole world measure,
Which most impossible conclude,
And navigation make a pleasure,
By finding out the longitude:
Every Tarpaulian shall then with ease
Saile any ship to the Antipodes.

Quelle:
Robert K. Merton: Science, Technology and Society in Seventeenth Century England. Osiris, Vol. 4. (1938), pp. 360-632.


Valid HTML 4.01 © Rainer Stumpe URL: www.rainerstumpe.de