Die Praxis der Gezeitenvorhersage

Wenn auch die physikalischen Einflüsse der Gezeiten für eine quantitative Berechnung nicht genau genug bekannt sind, so lassen sich die Zeitpunkte für den Eintritt von Hoch- und Niedrigwasser mit der Bewegung des Mondes mit hinreichender Genauigkeit vorhersagen. Dabei wird für Küstenreviere ein Zeitfaktor - die Springverspätung - berücksichtigt. Die Wasserstände an repräsentativen Orten werden aus Faktoren vor­hergesagt, die statistisch aus jahrzehntelangen Beobachtungen abgeleitet wurden. Das Ergebnis sind "amt­liche" Gezeitentabellen , die für ein Jahr im voraus publiziert werden.

Die Tabellen werden nach dem Harmonischen Verfahren berechnet. Dabei wird die Gezeitenwelle in Partialtiden zerlegt, die durch eine (harmonische) Sinuswelle repräsentiert werden. In diese Wel­len­glei­chungen gehen die Umlaufzeiten von Sonne und Mond ein und ein Amplitudenfaktor, der empirisch den Sonnen- und den Mondeinfluß ins Verhältnis setzt. Durch Addieren der Partialtiden erhält man eine sehr gute Annäherung an den tatsächlichen zeitlichen Verlauf der Tide.

Die Partialtiden

Formel Die Wellengleichung gibt die Auslenkung y (z.B. die Was­ser­standshöhe) zur Zeit t an. Die Konstanten sind die maximale Auslenkung (Amplitude) A und die Wie­der­ho­lungs­zeit (Frequenz) T:

Bei den vier Hauptpartialtiden werden für die Frequenz die Umlaufzeiten von Sonne und Mond bzw. die halbe Umlaufzeit eingesetzt (Tagestiden, Halbtagestiden). Diese Umlaufzeiten ändern sich im Jah­res­rhyt­mus (wegen der Abhängigkeit von der Entfernung zur Erde, Keplersche Gesetze!) und in mehreren lang­jährigen Zyklen. Setzt man die mittleren Umlaufzeiten von Sonne (12h) und Mond (12,25h) für die Fre­quen­zen T ein erhält zwei zeitlich versetzte Wellenzüge.

Skizze

Addiert man die Auslenkungen der Wellen, erhält man eine "Schwebung", die mit den im Monatsverlauf beoachteten Wasserstandshöhen übereinstimmt. Das ist ein semiempirisches Verfahren. Man sucht Fak­toren aus der Theorie und gewichtet sie so, dass sie der Beobachtung möglichst nahe kommen.

Analysiert man die Einflussfaktoren der beobachteten Wasserstandsänderungen, so kann man nach dem harmonischen Verfahren die Hauptgrößen erkennen: das sind die Mondumlaufzeit und seine Entfernung. Des­halb werden Tidenzeiten und das Eintreten von Spring- und Nipptiden fast ausschließlich mit den Mond­phasen erklärt.

Skizze
  • Der Zusammenhang mit der Theorie ist rein qualitativ!

Valid HTML 4.01 © Rainer Stumpe URL: www.rainerstumpe.de