Das Weltbild des NavigatorsSeit Johannes Kepler ist es allgemein anerkannt, dass sich die Erde auf einer elliptischen Umlaufbahn um die Sonne bewegt. Die Bahnen der Erde und die der anderen Planeten liegen etwa in einer Ebene: der Ekliptik. Nun basieren die Astronomie und die Astronavigation auf den astronomischen Lehren der Sumerer, Perser und Araber; sie entwickelte sich über Jahrtausende! Vermutlich wußten die Astronomen schon vor der Zeitenwende, dass die Erde als Kugel sich um die Sonne bewegt. Aber der Rechenaufwand ist geringer, wenn man ein geozentrisches Modell aufstellt. Außerdem beobachtet man ja auch die Welt um sich herum. Ein Modell mit dem Beobachter als Mittelpunkt des Weltalls ist somit "intuitiv". Das einfachste Modell der Welt, in dem der Navigator rechnet, hat eine punktförmige Erde im Zentrum und eine unendlich große kugelförmige Schale, auf die die Fixsterne projiziert sind. Das etwas kompliziertere Modell hat eine relativ zur Himmelsschale kleine Erde, und die von den Fixsternen ausgehenden Strahlen schneiden sich im Mittelpunkt der Erde. Mit diesem Modell fuhren die großen Entdecker nach Kolumbus und eigentlich alle Seefahrer bis zum Aufkommen von Computern und GPS. In diesem Modell sind die Rechnungen erträgleich aufwändig und die Genauigkeit bei Seglergeschwindigkeiten ausreichend. In diesem Modell kann man nur mit Hilfe der Fixsterne navigieren. Sobald man die Sonne — der Abstand ist gleich dem "Radius" der Erdbahn, den Planeten oder gar dem Mond navigieren will, muss man ein etwas komlizierteres Modell anwenden. Verstehen kann man die Grundlagen der Astronavigation am einfachsten in dem einfachsten Modell, in dem man die Komponenten der Berechnungen auch ohne allzu großen Fehler erklären kann. Um zu verstehen, wieso man drei (oder eigentlich vier) Koordinatensysteme braucht, sehen wir uns einmal die Situation der Erde im heliozentrischen Weltbild an. Diese drei Koordinatensysteme bzw. ihre Koordinatentransformationen, sind auch der Grund für die umständlich erscheinenden Berechnungen: man braucht halt die sphärische Trigonometrie.
In der Abbildung erkennt man: die Erdachse zeigt während des Umlaufes um die Sonne immer in die gleiche Richtung (Kreiseleffekt. Da die Erdachse gegenüber der Bahnebene um 23,45° geneigt ist, aber immer in die gleiche Richtung zum Himmelsnordpol zeigt, werden Regionen der Erde zu unterschiedlichen Umlaufzeiten verschieden lang beleuchtet. Am deutlichsten erkennt man das am Nordpol: im Bild sind die Gegenden weiß gefärbt, an denen die Sonne nicht untergeht, und sie sind dunkelblau, wenn die Sonne dort nicht aufgeht. Dieses "Kreiselverhalten" der Erde (die Rotationsachse zeigt immer in die gleiche Richtung) ist auch der Grund für die ausgeprägten Jahreszeiten in unseren mittleren Breiten. Außen an der Erdbahn sind die Sternzeichen mit ihren alten Symbolen eingezeichnet. Wenn z.B. die Erde am 21. September von der Sonne aus im Sternbild Widder ♈ steht, dann sieht es von der Erde aus gesehen so aus, als ginge die Sonne in einer Himmelsregion auf, in der das Sternbild Waage ♎ gefunden wird. Da am 21.09. der Tage im Herbst ist, an dem Tag und Nacht gleich lang sind (je 12 h), nennt man diesen Tag auch "Herbstäquinoktie", oder Waagepunkt. Analog steht die Sonne an der anderen Äquinoktie im Frühling (31.03.) im Sternbild Widder ♈ (Widder- oder Frühlingspunkt). Die Erdbahn definiert eine Ebene: die "Ekliptik", in deren Zentrum die Sonne steht (im einfachen, kugelförmigen Modell). Die andere Ebene, die in dem einfachen Modell eine unveränderliche Lage hat, ist die Ebene des Erdäquators. Sie fällt im geozentrischen Modell mit der Ebene des Himmelsäquators zusammen: man muss also ihre Verschiebung je nach Stellung der Erde auf ihrer Bahn nicht berücksichtigen. Das ist der Grund für die Verwendung des geozentrischen Weltbildes in der Navigation! Treten wir einen Schritt zurück und betrachten wir das Weltmodell des Navigators.
Außerdem ist auf der Himmelsschale die Ekliptik als graue gestrichelte Linie eingezeichnet. Sie schneidet die Äquatorebene in der Äquinoktial-Linie. Die Punkte, in denen die Äquinoktiallinie die Himmelsschale durchstößt sind die Punkte der Tag- und Nachtgleiche (im Bild liegt der Frühlingspunkt vorn, der Herbstpunkt auf der Rückseite). ![]() Wir erkennen in der Abbildung schon die Grundlage zweier Koordinatensysteme: das "irdische", nach dem wir unsere Position auf der Erde festlegen (Äquatorialsystem) und ein "himmlisches" in dem wir die Position der Fixsterne relativ zum Himmels-Äquator angeben (Rektaszensionssystem). Die Rolle des Bezugspunktes auf dem Äquator der Erde übernimmt der Südmeridians, über dem jeder Stern kulminiert, und auf dem Himmelsäquator der Frühlingspunkt. Wozu braucht man diese beiden Koordinatensysteme, wenn sie doch weitgehend übereinstimmen? Das liegt an der "natürlichen" Zeitdefinition aus der Beobachtung periodischer Vorgänge (Zeitunterschied zwischen zwei Sonnenkulminationen ist der Tag, der zwischen zwei Frühlings-Tag-und -Nacht-Gleichen ein Jahr). Man stellte wohl recht bald fest, dass ein unabhängige (z.B. mit einer Pendeluhr) gemessener Tag im Juli etwas weniger als 24h hat, einer im Dezember etwas mehr. Das liegt an der eliptischen Erdbahn und wird vom 2. Keplerschen Gesetz erklärt. Die Erde in der Nähe des sonnennahen Brennpunktes ihrer Bahn eine größere Strecke zurück als am sonnenfernen. Konsequenterweise muss sie sich im Juli etwas weniger weit zwischen zwei Sonnenkulminationen drehen als im Dezember. Dem wird z.B. in der "Zeitgleichung" Rechnung getragen. Bei einem sehr weit entfernten Stern spielt die veränderlichen Bahngeschwindigkeit der Erde keine (bedeutende) Rolle. Definiert man den Tag als Zeit zwischen zwei Kulminationen eines Fixsterns, so ist er (in erster Näherung) während des ganzen Jahres konstant lang — aber die so definierte Sternenzeit-Minute unterscheidet sich von der mittleren Sonnenzeit-Minute. Die "Zeit" ist also das Problem. Als die Navigation erfunden wurde, musste man die Sonnenzeit (d.h. die auf der Erde gültige Zeit) von der Sternenzeit der Sternentafeln unterscheiden; die Sonnenzeit wurde obendrein mit der Zeitgleichung korrigiert. Ob das auch noch gilt, seit unsere Quarzarmbanduhr die Universal Time Coordinated UTC zeigt, werden wir sehen. Glücklicherweise stimmen beide Koordinatensysteme im Pol und der Bezugsebene (Äquator) überein; damit wird eine Koordinatenumwandlung zu einer Additions- oder Subtraktionsaufgabe der Abschnitte Stundenwinkel und Rektaszension auf den beiden Bezugsebenen. Zur genaueren Astronavigation (wenn man richtig präzise Sternenhöhen messen kann, was aber auf Sportbooten eher nicht vorkommt) werden in den Sternentafeln saisonale Werte für α und δ angegeben. Außerdem wird eine Korrektur für die Nutation, die Präzession und den Einfluss der anderen Planeten in diese Tafeln eingearbeitet. In der Beispieltafel sind sehr präzise Werte angegeben, aber die sind gemittelt über eine Periode von 100 Jahren. Die Tabelle ist für Hobbyastronomen gedacht, die ihre Fernrohre auf eine Stern richten wollen und ihre geographische Position genau kennen. Der Einfluß von Nutation und Präzession ist so gering, dass er dort nicht ins Gewicht fällt. Aber der Hinweis auf die Größe der Erdbahn läßt schon vermuten, die Navigation nach der Sonne oder den Planeten geht anders. Die Bahn der Fixsterne
Das ist die Grundlage des natürlichen Weltbildes: die Erde steht still, und das Weltall dreht sich um sie. Es ist auch das Weltbild des Navigators, wenigstens, wenn er seine Position mit den Fixsternen bestimmen will. Die Kreise, die die Sterne beschreiben sind übrigens "Kleinkreise" in der Nomenklatur der sphärischen Trigonometrie. ![]()
Die Sonne ist übrigens ein Fixstern im Sinne dieser Betrachtung. Da ihre Koordinaten in den Nautischen Sterntabellen genau aufgelistet sind, kann man sie zur Bestimmung des Stundenwinkels des Frühlingspunktes im Ekliptikalsystem verwenden. ![]() Das EkliptikalsystemZur mathematischen Beschreibung des Fixsternhimmels bietet sich ein Kugelkoordinatensystem in der Ekliptik als Bezugsebene an. Zur Definition eines Winkel muss noch ein Fixpunkt gewählt werden. Historisch ist das der Frühlingspunkt ♈. Wir haben also ein Kugelkoordinatensystem definiert mit dem (hier als kreisförmig angesehenen) Erdbahnradius als Kugelradius und der durch den Verbindungsvektor Sonne-Schwerpunkt des Systems Erde/Mond über strichenen Fläche (Ekliptik). Senkrecht zur Ekliptik werden Winkel in Richtung "Nordpol" positiv von 0° bis 90° gezählt, Richtung "Südpol" negativ. Zur Festlegung des Nullpunktes für die Winkelzählung wird ein Punkt, der von der Erde aus leicht beobachtbar ist, definiert. Im Altertum waren solche herausragenden Zeitpunkte die Tag- und Nachtgleichen im Frühjahr und im Herbst. An diesen Tagen ging die Sonne im Sternbild Widder ♈ (Frühling) bzw. Waage ♎ (Herbst) auf. Der Frühlingspunkt ♎ ist noch heute der Nullpunkt der Winkelzählung in der Ekliptik. (Inzwischen liegt der Frühlingpunkt, d. h. der Ort auf der Umlaufbahn, an dem im März die Tag- und Nachtgleiche beobachtet wird, aber im Sternbild Fische ♋!) Der Winkel wird von diesem Punkt im Gegenuhrzeigersinn (vom Nordpol aus gesehen) von 0° bis 360° gezählt.
Die Definition der Sternzeichen gibt Rätsel auf. Gleichwohl sind sie sehr alt, denn sie kommen in allen Steinzeitkulturen auf allen Kontinenten in nahezu identischer Zusammenstellung vor (nach Wolfgang Schlosser und Jan Cierny, "Sterne und Steine - Eine praktische Astronomie der Vorzeit", 1996. Darmstadt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft). Da fragt man sich, ob die originelle Interprätation von Kai Helge Wirth ("Der Ursprung der Sternzeichen". 2000. Verlag Art and Science, ISBN 978-3-8311-0780-3.) mit topographischen Abbildern der Handelwege in Europa, richtig sein kann. Wie gesagt, originell ist sie allemal. Das ÄquatorialsystemDas Äquatorialsystem dürfen wir nicht mit dem Koordinatensystem der Mercator-Seekarten verwechseln, obwohl der Äquator in beiden Systemen eine Koordinate darstellt. Die Rolle des Nullmeridians übernimmt der "Südmeridian". Der wird definiert als der Meridian, über dem jeder Stern (auch die Sonne) kulminiert, denn die Kulmination definiert die Himmelsrichtung Süden. Der Meridian, der durch den Sternenort und den Nordpol geht, heißt "Stundenkreis", der Kleinkreis durch den Sternenort parallel zum Äquator ist der "Parallelkreis". Da sich die Erde dreht, verändert sich der Stundenwinkel des Sterns kontinuierlich. Um also eine Sternenkarte anzulegen eignet er sich nicht. Dazu gibt es das Rektaszensionsystem.
Die "Deklination δ" wird wie im Rektaszensionsystem vom Äquator aus bis +90° noch Norden bzw. bis -90° nach Süden gezählt. Das Äquatorialsystem braucht man nur, um eine Verbindung der Beobachtung (Höhe über dem Horizont) mit der Sternentafel (Höhe über dem Himmelsäquator) herzustellen, und um die Drehung der Erde relativ zur unbeweglichen Himmelsschale zu berücksichtigen. Für die Navigation mit Fixsternen braucht man die Jahreszeit, also die Stellung der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne nicht zu berücksichtigen; der Durchmesser der Erdbahn ist vernachlässigbar gegenüber dem (unendlichen) Durchmesser der Himmelsschale. Das Rektaszensionssystem
Analog zur (geographischen) Breite φ und Länge λ als Ortsangaben auf der Erdkugel, gibt man die "Orte" der Sternprojektionen auf der Himmelskugel als "Rektaszension α" und "Deklination δ" an. Die Rektaszension α zählt vom Frühlingspunkt in östlicher (entgegen dem Uhrzeigersinn) Richtung entlag des Himmelsäquators von 0° = Frühlingspunkt bis 360° oder — im gebräuchlicheren Zeitmass — von 0 h bis 24 h (24 h = 360°, 1 h = 15°, 1° = 0,066 h = 4 m). Die Deklination δ wird vom Himmelsäquator (0°) nach Norden bis +90°, nach Süden bis -90° gezählt. Der Navigationsstern Beteigeuze im Sternbild Orion hat z.B. die Sternkoordinaten α = 5 h 52 m 21 s, δ = 7° 23,9´ N. Das HorizontalsystemDas Horizontalsystem ist das "natürlich-intuitive" Koordinatensystem zur Beobachtung der Sterne. Es bildet ab, was wir unmittelbar sehen: über dem kreisförmigen Horizont steigen Sterne auf, erreichen einen Höhepunkt und gehen wieder unter. Der höchste Punkt der Sternenbahn liegt genau in Südrichtung. Zur Definition eines (dreidimensionalen Kugel-) Koordinatensystems braucht es einen Basiskreis auf dem die Breitenwinkel von einem Nullpunkt aus gezählt werden und Meridiane (Längenkreise), die den Basiskreis rechtwinklig und die sich alle in einem Pol schneiden. Auf den Meridianen wird der Höhenwinkel gemessen; Nullpunkt ist der Schnittpunkt mit dem Basiskreis. Die Höhe wird zum Zenit hin positiv, zum Nadir hin negativ angegeben. Da die Astronomie eine sehr alte Wissenschaft ist, deren heutige Wurzeln von den Arabern (während der Kreuzzüge) nach Europa kam, gibt es einige ungewohnte Bezeichnungen.
Auf den Meridianen wird vom Horizontkreis aus der Winkel zum Zenit positiv hin (der zum Nadir negativ) angegeben. Der Winkel heißt Höhe (h). Auf dem Horizontkreis wird der Winkel vom Süd- oder Mittagsmeridian aus im Uhrzeigersinn gezählt (von Süd über West nach Nord und Ost). Der horizontale Winkel heißt Azimut (A) oder Stundenwinkel. (Das Horizontalsystem wird deshalb auch Azimutsystem genannt.) Im dem Horizontalsystem kann man nun mit der sphärischen Trigonometrie berechnen, wie hoch ein Stern zu einer beliebigen Zeit über dem Horizont stehen wird, wenn man weiß, wie hoch er an dem Tage zu Mittag steigen wird. Wir verwenden das Poldreieck, bei dem ein Eckpunkt A mit dem Zenit zusammenfällt und der zweite C mit dem Kulminationspunkt des Sterns auf dem Südmeridian. Der dritte Punkt B ist der Sternort zu der vorgegebenen Zeit.
Der Winkel ACB ist also "recht" (der 90° - Winkel des Dreiecks, da C der Scheitel des Bahngroßkreises ist). Wenn wir also wissen, dass das Zentralgestirn über dem Nullmeridian (auf der Erde ist das der Meridian von Greenwich) mit der Höhe h0 = 23° kulminiert (es ist dann auf dem Nullmeridian definitionsgemäß Mittag, 12:00h Ortszeit), dann können wir berechnen, wie hoch er über einem Ort, der 2 Stunden östlich liegt, über dem Horizont steht. Wir brauchen nur die Nepersche Regel anzuwenden.
Nepersche Regel: Da die gesuchte Höhe h = 90° - c, also c = 90° - h ist, wollen wir c berechnen. Der Winkel α (Azimut) ist 2 h oder α = 2 ⁄ 24 · 360° = 30°. Außerdem kennen wir ja h0 = 90° - b = 23°. Die Seite b ist eine Kathete und c die Hypotenuse des sphärischen Dreiecks. Nach Neper lautet die Formel, die das zu berechnende und die beiden bekannten Stücke enthält:
Wenn man diese Beziehung für Azimutwerte von -90° bis +90° berechnet und plottet, ergibt sich die Bahn des Zentralgestirns aus der Sicht des Beobachters. Analog kann man auch andere Fragen mit dem Poldreieck beantworten:
Im Horizontsystem hängen alle Berechnungen von der Kulminationshöhe h0 der Sonne über dem Horizont ab. Und die ändert sich mit der Jahreszeit und der geographischen Breite des Beobachters. Die scheinbare Bahn der Sonne um die Erde verdeutlich das. Da die Erdachse gegenüber der Ebene, auf der sich die Sonne bewegt (Ekliptik), um 23,45° geneigt ist, aber immer auf den selben Punkt zeigt, kann man leicht bestimmen, in welche Richtung die Erdachse zeigt. Man benutzt dazu einen der beiden Punkte der Bahn an denen der Winkel maximal ist. Das sind die Tag- und Nachtgleichen im Frühling und im Herbst. Vereinbarungsgemäß nimmt man als Bezugspunkt den Frühlingpunkt. Damit hat man das Rektaszensionssystem definiert. Es gibt das Maß für die Neigung der Erdachse zur Sonnenbahn an, und gestattet die Bestimmung von h0 an jedem Tag des Jahres. Da die Bahn der Erde um die Sonne elliptisch ist und die Bahngeschwindigkeit den Keplerschen Gesetzen folgt, ist es etwas komplexer, die Mittagshöhe für jeden Tag zu brechnen. Zum Glück gibt es jählich herausgegebene Tabellen der Deklination δ der Sonne und der — für die Navigation — wichtigen Fixsterne.
![]() KoordinatentransformationDamit man mit den Sternentafeln umgehen kann, muß man die angegebenen Werte für die Rektaszension a in den Stundenwinkel τ umrechnen. Und das ist einfach, da die Bezugsebenen des Äquatorial- und des Rektaszensionssystems zusammen fallen. Nur der Nullpunkt, an dem man die Zählung des Stundenwinkels bzw. der Rektaszension beginnt, unterscheidet sich. Nun steht im Navigations-Weltbild mit der starren Erde und der rotierenden Sternenschale der Frühlingspunkt nach einer Drehung von 360° (oder 24h) exakt an der selben Stelle wie am Tag davor. Wir brauchen daher alle ganzzahligen Vielfachen von 360° bzw. 24h nicht zu berücksichtigen. Die Umrechnungsformel lautet daher einfach:
Der Stundenwinkel des Frühlingspunktes ergibt sich wiederum aus der Ortszeit des Frühlingspunktes. Den erhält man aus der Rektaszension der Sonne zum Beobachtungszeitpunkt aus Tabellen, z.B. im Nautischen Jahrbuch. Die Formel lautet:
Hier ist nun endlich die Formel, die die geographische Länge λ mit der Uhrzeit und einer beobachteten Sternenkoordinate korreliert! Wir müssen nur noch den Stundenwinkel des Fixsterns bestimmen. Dazu brauchen wir das Horizontsystem, in dem wir die Messung durchführen. Nun ist die Erde innerhalb der Himmelsschale ja nicht fixiert: sie rotiert um die Erdachse. Steht man auf dem Nordpol, so bewegen sich die Sterne scheinbar auf konzentrischen Kreisen. Ein Beobachter auf dem Äquator sieht die Sterne im Verlaufe einer Nacht auf geraden Linien über den Himmel ziehen. Und ein Navigator in den mittleren Breiten sieht die meisten Sterne auf Kreisbögen von Ost nach West wandern; nur die Sterne in der Nähe des Polarsterns bewegen sich scheinbar auf Kreisen um den Himmelsnordpol. Der Navigator in den mittleren Breiten wird bei genauer Beobachtung feststellen, die Sterne erreichen auf ihrem Weg alle einen höchsten Punkt vom Aufstieg im Osten zum Untergang im Westen. Und der liegt genau im Süden, für alle Sterne. Die Höhe dieses Kulminationspunktes über dem Horizont hängt noch dazu von der geographischen Breite ab, von der aus der Navigator den Sternenhimmel betrachtet. Wir beobachten die Sterne also in einem dritten Koordinatensystem dem "Horizontsystem". Davon aber an anderer Stelle. Sehen wir uns an, wie das Problem sich trigonometrisch darstellt. Zunächst müssen wir den Beobachterhorizont durch den Himmelsäquator ersetzen, also von Horizontkoordinaten in Äquatorkoordinaten umrechnen.
Die Länge der Seite PZ ist gleich der geographischen Breite φ des Beobachters, die Länge der Seite ZS ist 90° - δ, Länge der Seite PS ist 90° - h. Bei den Winkeln gilt: ZPS = τ (Stundenwinkel), PZS = a (Azimut), PSZ = λ (geogr. Länge Beob.). Man kann nach den Regeln der Trigonometrie aus drei bekannten Größen die anderen drei des Poldreiecks berechnen. Ein Rechenbeispiel wird im Abschnitt sphärische Trigonometrie am Beispiel der der Deklination der Sonne ausgeführt. ![]() © Rainer Stumpe, URL: http://www.rainerstumpe.de/ |