Titelblatt Teil 1 Anfangsgründe

der


Stöchyometrie

oder


Meßkunst chymischer Elemente

von

J. B. Richter

b. W. W. D.

Erster Theil

welcher die reine Stöchyometrie enthält.


Breslau und Hirschberg, 1792.

bey Johann Friedrich Korn dem Aelteren,
im Buchladen neben dem kön. Ober-Accis- und Zoll-Amt
auf dem großen Ringe.



Einleitung
in die reine Stöchyometrie.

Erster Abschnitt,
welcher einige zu dieser Wissenschaft nöthige chymische Vorkenntnisse enthält.

§ I.
Erklärung 1.

Die Chymie (Chymia) oder Scheidekunst ist die Wissenschaft*) derer Verhältnisse in welchen gewisse Thei­le der Körper mit einander stehen, welche man Elemente nennt.

*) Wenn die Chymie als Kunst betrachtet wird, so begreift solche die Fertigkeit in sich, Elemente von einander zu schei­den und zusammenzusetzen. Auf diese Art kann jemand ein Scheidekünstler oder Chymiste seyn, ohne die Gründer zu wissen, worauf seine Verfahrensart beruhet. Während einigen Jahrtausenden hat die Chymie keine andre als solche Be­ar­bei­ter aufweisen können; sogar noch heutiges Tages giebt es noch eine große Menge dergleichen Arbeiter, die den Na­men Chymist führen. Dem gegenwärtigen Jahrhundert ist es aufbehalten worden, die Chymie nicht bloß als Kunst, son­dern auch als Wissenschaft darzustellen.

Erklärung 2.

Die Theile in welche ein Körper zerlegt oder zertheilt werden kann, sind von zweierley Art. A) Gleichartige oder Theilganze (Partes similares)*) d. h. solche Theile. Die von dem ganzen Körper bloß in Rücksicht ihrer Figur, Größe und der darauf beruhenden Eigenschaften, in ihren übrigen Erscheinungen aber gar nicht ver­schie­den sind. B) Ungleichartige (Partes dissimilares) hingegen sind solche Theile, die unter sich und folglich auch von dem ganzen Körper in ihren Erscheinungen unterschieden werden können**).

*) Jedes Stückchen Glas, wenn es auch nur durch Hülfe des besten Microscopes sichtbar würde, ist ein Theilganzes, gleichartiger Theil des ganzen Stück Glases, wovon es genommen ist, weil es, Figur und Größe und die darauf be­ru­hen­den Eigenschaften ausgenommen, vom Ganzen nicht verschieden ist. Hingegen sind Alkali, Kiesel-Erde und andere Ma­te­rien, woraus das Glas zusammengesetzt ist, ungleichartige Theile des Glases, weil sie in ihren Er­schei­nun­gen ohne Hin­sicht auf Figur und Größe verschieden sind.

**) Durch diese beiden gegebenen Erklärungen ist die Chymie hinlänglich von der Physik unterschieden. Denn der Physiker soll eigentlich nur die Eigenschaften ausmitteln, wodurch Körper in Betracht ihrer Theilganzen verschieden sind. Wenn man sagt: Eine sehr dünne Platte Gold oder Silber ist durchsichtig, so ist dies ein Unterschied den ein Theilganzes vor dem andern hat, allein dieser Unterschied ist bloß physisch, nicht chymisch, er beruht auf der Figur, weil eben diese Platte, wenn sie bey einerley Gewicht kürzer oder schmäler wäre, auch dicker seyn und die angeführte Erscheinung nicht hervorbringen würde. Wenn jemand von der atmosphärischen Luft urtheilet, daß sie schwer, elastisch unf flüssig ist, so ist dies ein physisches Urtheil, denn diese Eigenschaften kommen jedem Theilganzen der Luft zu; wird aber gesagt, daß sie aus reiner Luft und einem Antheile von Brennbarem bestehe, und wird noch dazu des Unterschiedes in der Erscheinung dieser Materien gedacht, so ist der chymische Unterschied der atmosphärischen Luft bestimmet worden. Eben so sind alle Erscheinungen physisch zu nennen, die durch Stoßen, Pulvern, Reiben, Licht, Feuer und Wasser an Materien hervorgebracht werden, in so ferne sich die ungleichartigen Theile nicht trennen. Z. B. ein gepülverter Magnetstein, wenn er durch die Kunst wieder in ein Stück zusammengesetzt wird, ziehet das Eisen nicht. Die Erscheinung des Anziehens und deren Mangel sind immer noch Gegenstände der Physik, weil die Theile des Magnetes, ob sie gleich durch Pülvern zertheilet werden, dennoch Theilganze bleiben: Übrigens wird nieman in Abreden seyn, daß dem Chymisten physische, und dem Physiker chymische Kenntnisse zur Bearbeitung seiner Sphäre unentbehrlich sind. Aus dem was bisher gesagt worden, wird sich auch die Einwendung leicht widerlegen lassen, die man gegen Erklär. 2 aufwerfen könnte: daß nämlich Theilganze vorhanden wären, die nicht allein in Figur und Größe, sondern auch in andern Eigenschaften, die gar nicht auf Figur und Größe beruhen, verschieden sind, und die man durch mechanische Arbeiten absondern könne. Z. B.Vererzter Kobald in Schwerspath eingesprengt, die ätherischen Öhle in manchen Vegetabilien: Allein die vorgeblichen Theilganze sind hier nicht als Theilganze, sondern als durch allgemeine oder physische anziehende Kraft miteinander verbundene Körper zu betrachten, deren jeder seine eignen und von denen des andern Körpers verschiedene partes, sowohl similares als dissimilares, hat. Wären in angeführten Beispielen alle partes dissimilares so mit einander verbunden, daß man sie nicht mehr von einander unterscheiden könnte, so bestünden die angeführten Körper nicht aus andern ganzen Körpern, die sich durch ihre verschiedene Theilganze unterschieden.

Erklärung 3.

Eine Materie in welcher man nur gleichartige Theile (Erkl. 2.) annimmt*), wollen wir ein Element (Elementum) nennen, und es ist nur ein physisches (Elementum physicum)**) in so ferne es, ohne in ungleichartige Theile zerlegt zu werden, durch Mischung mit Materien die Erscheinungen, die letztern eigenthümlich sind, nicht aufhebet. Ein chymisches Element***) (Elementum chymicum) hingegen ist ein solches, welches ohne in ungleichartige Theile zerlegt zu werden, durch Mischung mit andern Materien Erscheinungen, die ihnen allein eigenthümlich waren, aufheben und andre hervorbringen kann. Ein chymisches Element ist ein unmittelbares****) (immediatum) in so ferne es durch die Kunst nicht mehr in ungleichartige Theile zerlegt werden kann, ein mittelbares*****) (mediatum) aber, in so ferne man es durch die Kunst noch in ungleichartige Theile zu zerlegen im Stande ist.

*) Es ist nicht ohne Ursache das Wort annehmen gebraucht, denn unter das Genus des Elements gehören manche individua die alle Unterscheidungszeichen mit chymischen Elementen gemein haben, ausgenommen, daß die durch die Kunst noch in ungleichartige Theile zerlegt werden können, und da hier der Ordnung wegen, die Begriffe subordiniert werden müssen, so hätte man kein genus, wenn das Wort annehmen nicht gebraucht würde. Es ist dies auch kein Irrthum, denn man kann ja, wenn es die Noth erfordert, das Merkmal der Zerlegung wegdenken.

**) Wasser, magnetische Materie, auch zum Theil Elektricität und Licht sind physische Elemente, denn die eigenthümlichen Unterscheidungsmerkmale der kleinen Theilganzen andrer Materien werden hierduch nicht aufgehoben, und sie sind sämmtlich unmittelbare Elemente. Das Feuer, aber auch die Elektricität und das Licht, in so ferne sie die Eigenschaften des Feuers zeigen, gehören zum Theil schon zu den chymischen Elementen, weil die Erscheinungen die den kleinen Theilganzen anderer Materien allein eigenthümlich sind, schon durch das Feuer aufgehoben werden.

***) So sind z. B. alkalische Salze, Erden und andere Materien, auch der Schwefel, Elemente zu nennen, weil sie, ohne in ungleichartige Theile zerlegt zu werden, bey vielen Materien eigenthümliche Unterscheidungsmerkmale verstecken und andre hervorbringen können. Auf diese Art verliert eine Säure ihren sauren Geschmack wenn sie mit Alkali verbunden wird, und das Alkali ist in Verbindung mit seiner Säure nicht mehr im Stande, eine Erde aus ihrer Verbindung mit andern Säuren frey abzuscheiden. Vitriolsäure ändert das Küchensalz zu Glauberischen Salze um, und ist sodann, ohne in ungleichartige Theile zerlegt worden zu seyn, Bestandtheil des Glauberischen Salzes. Eben das was von chymischen Elementen überhaupt gesagt worden, kann auch der Schwefel bewirken. Allein Metalle, insbesonders Mittelsalze, können auf keine Weise Elemente genennet werden; den wenn zwey Metalle, z. B. Gold und Quecksilber, vermischet werden, so behalten die Goldtheile die Eigenschaft eines Metalls als eigenthümliches Unterscheidungsmerkmal, und wenn ich Metalle in Säuren auflöse, so werden sie in ungleichartige Theile zerlegt. Ebenso ist es, wenn Mittelsalze und auch noch viele andre Materien unter einander Veränderungen hervorbringen. Mittelsalze werden z. B. entweder in ungleichartige Theile zerlegt, oder behalten ihre eigenthümlichen Unterscheidungsmerkmale. Um der gewöhnlichen Consequenzenmacherey willen, will ich noch ein Beispiel anführen. Wenn ich Harz in Weingeist auflöse, so entstehet zwar in dem Harz eine Veränderung durch den Weingeist, allein beide Materien, ob sie gleich nie in ungleichartige Theile zerlegt werden, behalten ihre eigenthümlichen Unterscheidungsmerkmale, z. B. das Harz, die Unauflöslichkeit im Wasser und die Brennbarkeit, der Weingeist, seine Brennbarkeit, seine Auflösbarkeit mit Wasser, Naphten, destillirten Öhlen, caustischen alkalischen Salzen, u. d. m. daher ist weder das Harz noch der Weingeist nicht einmal ein mittelbares Element, obgleich ein pars constitutiva composita zu nennen.

****) Vitriol-, Salz-, Phosphor-, und auch noch andre Säuren, die fixen Alkalien und alle Erden sind unmittelbare Elemente, weil sie nicht in ungleichartige Theile zerlegt werden können, allein hieraus folgt nicht, daß dies schlechterdings ohnmöglich sey, noch viel weniger, daß die unmittelbaren Elemente nur aus Theilganzen bestehen. Sie bleiben nur für den Chymisten so lange unmittelbar, als ihre ungleichartigen Theile nicht bekannt sind. Aus diese Art hat der Schwefel bey den Chymisten lange Zeit den Rang eines unmittelbaren Elementes (nach der gegebenen Erklärung dieses Wortes) behauptet, jetzt wird niemand mehr daran zweifeln, daß er in Vitriolsäure und Phlogiston zerlegt und aus beiden Elementen wieder zusammengesetzt werden könne.

*****) Z. B. die Säuren des Essigs und des Weingeistes sind mittelbare Elemente, sie heben zwar in andern Materien eigenthümliche Unterscheidungsmerkmale auf und bringen andre hervor, zersetzen sich auch dabey nicht so leicht in ungleichartige Theile, allein sie können durch die Kunst, vorzüglich vermittelst des Feuers, in ungleichartige Theile zerlegt, obgleich nicht wieder zusammengesetzt werden.

Erklärung 4.

Wenn unmittelbare Elemente (Erkl. 3.) mit einander verbunden sind, so heißt jedes derselben ein unzersetzbarer Bestandtheil*) (Pars constitutiva simples)**) des Körpers, so hieraus entstanden ist.

*) Von einem Bestandtheil ist ein Ingrediens wohl zu unterscheiden, letzteres ist nicht immer Bestandtheil, sondern öfters nur Mittel, diese oder jene Erscheinung hervorzubringen. Z. B. Arsenik ist Ingrediens bey Verfertigung des Glases, er kommt mit in die Mischung, allein bey der Hitze wird er verflüchtiget und ist folglich kein Bestandtheil des Glases, hingegen ist Alkali Ingrediens und Bestandtheil des Glases zugleich.

**) Das Beiwort einfach in der lateinischen Sprache kommt einem unzersetzbaren Bestandtheile nur darum zu, weil man keine ungleichartigen Theile in ihm ausmitteln kann.

§ II.

Die bisher bekannt gewordenen chymischen Elemente werden in drei Ordnungen getheilt.

  1. Salze, (Sales, salia) d. h. solche die sich mit mehr oder weniger Wasser zu Theilganzen (Erkl. 2.) verbinden lassen;*) diese sind von zweierley Geschlecht.
    *) Man könnte gegen dieses Merkmal einwenden, daß das gummi aquosum auf diese Art auch ein Salz wäre; dies ist für mich keine Einwendung, da ich überzeugt bin, daß das Gummi nur vermittelst seines salinischen Stoffes im Wasser auflöslich ist, giebt es doch mittelsalzige Verbindungen die dem Gummi ganz ähnlich sind, wie z. B. ein reiner antimonialischer Weinstein.
    1. Säuren (Acida) oder Elemente, die einen mehr oder weniger sauren Geschmack verursachen, auch die blaue Farbe der mehresten Vegatabilien in die rothe verändern können. Diese sind zweierley Gattung:
      1. mineralische (mineralia), oder die im Mineralreiche am häufigsten aufgefunden werden, diese theilen sich in zwey Arten:
        1. metallische (metallica s. Metallorum), d. h. solche Säuren, die in Verbindung mit brennbarem Phlogiston zu Metallen umgeändert werden, deren giebt es drey: die Arsenik-, Tunkstein- oder Wolfram-, und die Wasserbley-Säure.
        2. Die übrigen mineralischen Säuren, deren sind sechs, als die Vitriol-, Salpeter-*) , Küchensalz-, Flußspath-, Bernstein- und Borax-Säure oder Sedativsalz.
          *) Wenn auch niemand die Säure des Salpeters, Küchensalzes und Flußspathes, wie auch die Luftsäure in trockener Gestalt frey dargestellet hat, so gehören sie doch mit eben dem Recht unter das Salzgeschlecht als der Essig, Salmiak, die flüchtige Schwefelleber und das caustische flüchtige Alkali, an deren salinischen Würde meines Wissens noch niemand gezweifelt hat. Die Salpetersäure ist darum unter die mineralischen gerechnet worden, theils weil sie im Thier- und Pflanzenreich nicht wohl aufzusuchen ist, theils weil der Salpeter in unterirdischen Behältnissen angetroffen wird.
      2. Vegetabilische Säuren (Acida vegetabilia), die mehrentheils in den Vegetabilien angetroffen werden, deren kennet man bis jetzt zehen, als die Essig-, Weinstein-, Zucker-, Benzoe-, Citronen-, Holz-, Campher-, Äpfel-, Galläpfel- und Luft-Säure.
      3. Thierische Säuren (Acida animalia), welche man am häufigsten im Thierreiche antrifft, deren sind nur drey bekannt. Die Ameisen-, Fett-, und die Knochen- oder Phosphor*)-Säure.**)
        *) Es ist mir wohl bekannt, daß es Chymisten giebt, welche die Säuren der Knochen unter die mineralischen, und die des Fettes unter die vegetabilischen zählen, weil diese Säuren wirklich daselbst anzutreffen. Allein mit eben dem Rechte könnte ich die Knochen- und die Vitriolsäure vegetabilisch nennen, indem es Vegetabilien giebt welche Phosphor liefern, oder auch vitriolisierten Weinstein enthalten. Wenn man bey der Eintheilung nicht auf das Verhältniß der Menge, in welcher die Säuren in den drey Naturreichen angetroffen werden, Rücksicht nimmt, so läßt sich entweder gar keine Eintheilung machen, oder der darüber geführte Streit ist leeres Wortspiel.
        **) Man hätte die Säuren auch in feuerbeständige und flüchtige abtheilen können, (s. die folgende Erkl.) da würden denn die Tungstein-, Arsenik-, Borax- und Phosphorsäure unter die feuerbeständigen, die übrigen aber unter die flüchtigen zu rechnen seyn. Ferner könnte man die sauren Elemente eintheilen in unmittelbare und mittelbare, (Erkl. 3.) da denn Vitriol-, Salz-, Flußspath-, Borax-, Arsenik-, Tunkstein-, Wasserbley und Phosporsäure unter die unmittelbaren, die übrigen aber unter die mittelbaren gehören würden.
    2. Alkalien (Alcalia) sind Elemente, welche den sauren Geschmack der vorigen abstumpfen, indem sie sich mit ihnen zu Theilganzen verbinden, diese sind das vegetabilische, mineralische und das thierische oder flüchtige Alkali.
  2. Erden (Terrae), die sich mit dem Wasser nicht so wie die Säuren zu Theilganzen, oder wenn es geschiehet, nur in äußerst geringen Quantitäten verbinden lassen, und übrigens locker sind, auch durch das Feuer entweder garnicht, oder nur selten unter gewissen Umständen*) verflüchtiget werden, auch nur in Theilganze**) zertheilet werden können. Sie sind dreierley Geschlecht:
    *) Es ist nicht ohne Ursach der Verflüchtigung unter gewissen Umständen gedacht, wie die Verkalchung des Zinkes, Kobald- und Spießglas-Königes hievon Beispiele aufstellen, wo die an sich feuerbeständige metallische Erde mit in die Höhe getrieben wird.
    **) Dies Merkmal ist darum in Erinnerung gebracht worden, um die Erden alsbald von andern Materien zu unterscheiden, welche ein erdiges Ansehen haben.
    1. metallische (terrae metallorum s. metallicae), die in Verbindung mit Brennbarem oder Phlogiston, Metalle darstellen, deren sind fünfzehn; als die Erde der Platina, des Goldes, Silbers, Quecksilbers, Kupfers, Zinnes, Bleyes, Eisens, Zinkes,*) Wismuthes, Spießglas-Königes, Kobald-Königes, Nickels, Braunstein-Königes und des Uranium.
      *) Die Erde des Zinkes, die Schwererde und die Kalcherde nähern sich, mit Feuermaterie verbunden, dem salinischen Zustande, so wie auch unter den alkalischen Erden die Kalch- und Schwererde.
    2. Alkalische (alcalicae s. alcalinae), welche sich mit Säuren so wie die alkalischen Salze zu Theilganzen verbinden, auch wie diese im Stande sind metallische Erden aus ihren mit Säuren eingegangenen Verbindungen zu trennen. Dieser Erden giebt es fünfe, als die Kalcherde, Bittersalzerde oder Magnesie, die Thon- oder Alaunerde, die thierische Erde und die Schwererde.
    3. Die Kieselerde oder Glasachtige Erde, welche sich mit keiner Säure, die des Flußspathes ausgenommen, dahingegen aber mit dem vegetabilischen und mineralischen Alkali zu Theilganzen verbinden läßt.
  3. Elemente welche weder schicklich unter die Salze noch unter die Erden gerechnet werden können, als brennbare Luft, reine Luft, das Phlogiston in so ferne es nicht mit der brennbaren Luft einerley ist, das Wasser in so fern sich der Chymist damit beschäftiget, und in so ferne andere chymische Elemente anziehende Kräfte darauf zeigen, die Feuermaterie oder das Elementarfeuer und der Schwefel.

§ III.
Erklärung 5.

Eine jegliche Materie und folglich ein jegliches Element wird feuerbeständig*) oder fix genennet, wenn solche im anhaltenden Glühfeuer weder zerstöret noch verflüchtiget wird**).

*) In der Feuerbeständigkeit giebt es so wie in der Flüchtigkeit verschiedene Grade, je nachdem das Verhältniß der Materien zum Element des Feuers beschaffen ist. Eine Materie ist feuerbeständiger als die andre. Der vitriolisirte Weinstein verträgt das starke weißglüh Feuer ohne sich zu zerstöhren, dahingegen Braunstein-Vitriol nur ein dunkles rothglüh Feuer verträgt.

**) Auf der Flüchtigkeit der Materien beruhen die Arbeiten die man destilieren und sublimiren nennet; destiliren heißt etwas flüßiges, und sublimiren etwas trockenes in verschlossenen Gefäßen aus dem einen in das andre verflüchtigen.

Erklärung 6.

Wenn Materien dergestalt mit einander vermischet werden, daß nicht jeder beliebige oder bemerkbare Theil der Zusammensetzung ein Theilganzes (Erklärung 2.) ist, so heißt dergleichen Zusammensetzung nur schlechthin eine Mischung (Mixtio); ist aber jeder beliebige bemerkbare Theil der Mischung ein Theilganzes, so wird solche eine Auflösung*) (Solutio) genennet.

Wenn ich ein alkalisches Salz mit Kieselerde noch so gut durcheinander reibe, so ist die Zusammensetzung doch nur eine Mischung; das Alkali kann durch Auflösung im Wasser mit Beibehaltung aller seiner eigenthümlichen Unterscheidungsmerkmale wiederum abgeschieden werden: Wird aber vermittelst des Feuers eine solche Verbindung bewirkt, daß sich Alkali und Kieselerde zugleich im Wasser aufgelöst erhalten können, und daß die Kieselerde nicht abgeschieden werden kann, ohne daß das Alkali eine neue Verbindung eingehet, in welcher es keine seiner eigenthümlichen Unterscheidungsmerkmale zeigt, so ist die Verbindung des Alkali mit der Kieselerde eine Auflösung der letzteren in Alkali zu nennen.

Zusatz.

Dahero ist jede Auflösung zugleich eine Mischung, aber nicht jeder Mischung kommt der Name Auflösung zu*).

Es kann eine Verbindung eines Theils Auflösung, andern Theils nur bloße Mischung seyn; z. B. die Verbindung eines Schleimharzes mit Wasser, da bilden die im Wasser auflöslichen Theile mit dem Wasser eine Auflösung, die unauflöslichen aber nur eine Mischung. Auf diese Art ist auch der mit Weingeist oder Wasser bewerkstelligte Auszug (Extractum) der Pflanzen gar oft nur eines Theiles Auflösung.

Erklärung 7.

Wenn zwey Materien mit einander zur Auflösung (Erkl. 6.) verbunden werden, so wird die festere unter beiden das solvendum, die minder festere oder flüssige aber das solvens, Auflösungsmittel (Menstruum solvens) genennet*).

*) Der Zustand der Festigkeit und Flüssigkeit ist nicht nur bey verschiedenen, sondern auch bey einerley Materien sehr veränderlich. Wenn eine Materie, sie mag nun schon im gewöhnlichen Zustande flüssig seyn oder es erst durch angewandte Mittel werden, eine weniger flüssige oder feste auflöset, so ist sie die materia sive menstruum, und in so fern sie ein Element ist, auch elementum solvens. Sind beide Materien in gleichem Grade flüssig, so bleibt es unentschieden, welche von beiden das solvens ist. Es ist auch eben nicht nöthig, daß die Auflösung, nachdem sie vollendet ist, noch flüssig bleibe: Eine Schwefelleber z. B., sie mag flüssig oder fest seyn, ist jederzeit eine Auflösung des Schwefels in Alkali, so wie die Kreide eine Auflösung der Kalcherde in Luftsäure ist.

§ IV.

Die Elemente unterscheiden sich nicht sowohl an und für sich, sondern auch vorzüglich in den Verbindungen, welche sie mit einander eingehen; es wird dahero nothwendig seyn, die vornehmsten Unterscheidungsmerkmale derselben kennen zu lernen. Überhaupt ist zu bemerken, daß die sauren Elemente die Unterscheidungsmerkmale der alkalischen und metallischen, und umgekehrt die alkalischen und metallischen diese Merkmale der sauren Elemente zum Theil aufheben, oder vielmehr verstecken; dies geschiehet aber nicht so leicht von den sauren Elementen unter einander und fast eben so wenig von den alkalischen, d. h. ein saures Element versteckt keine Merkmale andrer saurer Elemente, oder hebt sie auf, wenn man die mittelbaren Elemente ausnimmt, eben so wenig hebt ein alkalisches Element die Merkmale eines andern alkalischen auf. Zur Versteckung der Merkmale sind (die mittelbaren Elemente ausgenommen) jederzeit zwey Elemente von verschiedener Ordnung oder Geschlecht nöthig. Z. B. vom Geschlecht A oder B Ord. 1.; und vom Geschlecht A Ord. 2. Und A oder B Ord. 1.) Wenn man übrigens die mittelbaren Elemente als eine Gattung von der Gattung oder Art von der Art betrachtet, so gehören zur Versteckung der Unterscheidungsmerkmale der Elemente jederzeit zwey derselbigen, von verschiedener Ordung, Geschlecht, Gattung, Art oder Art von der Art.

[Es folgt eine Beschreibung der vorgenannten "Materien".]

§ LXVI.
Erklärung 12.

Ein Element befindet sich im freien†) Zustande (status liber), wenn es mit keinem anderen verbunden ist, so mit ihm eine neutrale Auflösung (Erkl. 8.) bewirken kann, der entgegengesetzte Zustand heißt der gebundene††).

†) Dahero sind im Borax das mineralischen Alkali, im Alaun die Vitriolsäure, und im Weinsteinrahm die Weinsteinsäure, noch zum Theil im fereien Zustande (Erkl. 8.**). Im Scheidewasser § XXXV. ist die Salpetersäure, so wie im Vitriolöhl die Vitriolsäure ganz im fereien Zustande § XXXIV.

††) Luftsäure in der Kreide, Vitriolsäure im Gips, Weinsteinsäure im Weinsteinisirten Weinstein § XLI.

Erklärung 13.

Die einem chymischen Element beiwohnende Kraft mit andern dergleichen Elemente Erscheinungen hervorzubringen nenne ich die chymische anziehende Kraft, chymische Verwandtschaft (Affinitas chymica, attractio electiva) des Elements, und selbige ist größer oder kleiner, je nachdem ein Element auf ein andres mehr oder weniger wirksam ist als auf ein drittes*).

Z. B. Salzsäure und mineralisches Alkali bis zur Sättigung verbunden stellet das Küchensalz dar § LXXXVI., allein eben dies erfolget, wenn ich die Auflösung der reinen Kalcherde in Salzsäure mit mineralischem Alkali in solcher Menge mische bis sich keine Trübung mehr zeigt, hierdurch wird die Kalcherde aus ihrer mit der Salzsäure gemachten neutralen Verbindung getrennet. Da muß nun ein Grund vorhanden seyn, warum sich letztere leiber mit dem mineralischen Alkali in Auflösung setzt, und diesen Grund stellet man sich in einer größern anziehenden Kraft vor, womit die Säure gegen das mineralische Alkali wirkt, und nennet es solchen die größere chymische Verwandtschaft, woraus denn folgt, daß eben diese Kraft der Säure gegen die Kalcherde geringer sey. Die chymische Verwandtschaft ist von der physischen anziehenden Kraft sehr unterschieden, durch letztere wird nicht immer eine Auflösung bewirkt, dahingegen erstere wenn sie ihren Namen mit Recht führen soll, jederzeit eine Auflösung hervorbringen muß. Von den Graden der Verwandtschaft läßt sich bis jetzt noch kein befriedigender Grund angeben, ob zwar niemand daran zweifeln wird, daß ein Grund vorhanden ist. Wollte man auch die Figur der unendlich kleinen Theilganzen der Elemente als Grund der Verwandtschaftsgrade angeben, so ist zu bedauern, daß diese Figuren noch von neimand beschreiben und eben so wenig erwiesen worden, wie aus den Figuren die Verwandtschaftsgrade entspringen. das beste vorläufige Urtheil hierinnen ist meines Erachtens ein bescheidenes ignoro. Es ist übrigens noch anzumerken, daä sich die Verwandtschaften nicht bloß auf neutrale Verbindungen sondern auch auf andre Auflösungen erstrecken, dahero die Chymisten derselbigen einige Arten zählen; wir haben es aber hier fürs erste mit der Verwandtschaft in Ansehung der Neutralität zu thun.

Erklärung 14.

Das materielle oder körperliche Subjekt*), worinnen sich die chymische Verwandtschaft befindet, nenne ich die Masse, Prinzip oder Stoff (Massa) des Elementes. Die Summa der Massen der Elemente, so eine neutrale Auflösung (Erkl. 8.) bilden, ist die Masse oder Stoff der neutralen Auflösung.

*) Wenn ich z. B. eine bestimmte Menge eines sauren Elements mit mehr oder weniger Wasser verdünne, so bedarf ich von einerley Auflösung des Alkali in Wasser nach der Verdünnung der Säure weder mehr noch weniger zur Sättigung, als ich nöthig hatte, ehe die Säure verdünnet wurde. Es ist also in dem Elemente ein gewisses Subjekt vorhanden, woran die chymische anziehende Kraft oder Verwandtschaft gebunden ist, dies ist nun die Masse des Elementes.

Erklärung 15.

Wenn eine Materie von einer andern durch eine dritte vermittelst der Verwandtschaft getrennet wird, so wird solche ein chymisches Edukt*) (eductum chymicum) genennet. Alle und jede Verbindungen der Elemente nennet man chymische Produkte**) (producta chymica).

*) Diese Erklärung gilt auch noch von denenjenigen Materien und Elementen, die durch bloße Sublimation oder Destillation ohne einen Zusatz von anderen geschieden werden, weil hier die Feuermaterie das tertium agens ist, wie z. B. bey dem Campher, die Säure aus dem Bernstein § `XXXVIII., Benzoe § XLII., u. d. m.

**) Es giebt Materien die in gewisser Hinsicht Edukte, in anderer aber Produkte sind. Z. B. der Schwefel ist Edukt in so ferne er aus gewissen eingegangenen Verbindungen geschieden wird, Produkt aber in so fern man ihn aus seinen Elementen, Vitriolsäure und Phlogiston, zusammensetzt. Die unmittelbaren Elemente § II. sind jederzeit Edukte, weil sie nur durch Scheidung, nie aber durch Zusammensetzung, weil wir ihre partes dissimilares nicht kennen, erhalten werden. Eben dies gilt, nur aus andern Gründen, von den mittelbaren Elementen, den Schwefel ausgenommen.

Erklärung 16.

Die Verwandtschaft (Erkl. 13.) ist eine einfache (simplex Affinitas) in so fern ein Element, ohne mit einem andern in Neutralität zu stehen (Erkl. 8.), das heißt im freien Zustande (Erkl. 12.), zwey andre, die sich mit einander aufgelöst befinden (Erkl. 6.) von eiinander zu trennen im Stande ist, indem er eines der letztern mit sich in Auflࣆsung sezt, und hierdurch das andre in den freien Zustand (Erkl. 12.) kommt. Doppelt aber (duplex) ist die Verwandtschaft, wenn ein Element diese Trennung nicht anders bewirken kann, als in so fern es sich selbst mit einem andern in Neutralität befindet, oder welches einerley ist, in neutraler Verbindung stehet*).

*) In der zersetzung oder Zerlegung (Erkl. 2.) einer neutralen Verbindung durch ein Element im freien Zustande oder durch die einfache Verwandtschaft, wird aus einem Produkt und Edukt wiederum ein Edukt und Produkt, so daß das Element, welches vor der Zersetzung Bestandtheil des Produktes war, nunmehr ein Edukt ist, und hingegen das zur Scheidung angewandte Edult Bestandtheil des neuen Produktes wird; z. B. die meisten Säuren zerlegen eine Auflösung der Silbererde in Salpetersäure § XXXV. wenn sie sich auch im freien Zustande befindet, vermittelst einfacher Verwandtschaft, und so wird denn die Salpetersäure ebenfalls in den freien Zustand versetzt, d. h. als Edukt ausgeschieden, und die zur Scheidung angewandte Säure macht mit der Silbererde ein Produkt. In der Zerlegung durch doppelte Verwandtschaft aber entstehet nie ein Edukt, sondern aus zwey Produkten wiederum zwey neue Produkte. Z. B. Wenn die erwähnte Silberauflösung mit einem Küchensalz haltenden Wasser vermischt wird, so macht nicht allein die Säure des Salzes mit der Silbererde das Hornsilber § XXXVI,, sondern das Alkali des Küchensalzes tritt auch mit der Salpetersäure in Neutralität und macht cubischen Salpeter § XXXV., d. h. es entstehen zwei neue Produkte.

Erklärung 17.

Wenn eine neutrale Verbindung durch Mischung mit einem Element, es sey nun letzteres im freien oder gebundenen Zustande (Erkl. 12.) zerlegt wird, und folglich dadurch eine oder mehrere neue Verbindungen entstehen, so wird es der trockene*) Weg (via sicca) Zerlegung auf dem trockenen Wege genennet, in so ferne blos das Feuer hiezu angewendet werden darf. Der nasse**) Weg (via humida) hingegen ist der, wenn einer oder mehrerern von den angewandten Materien Wasser zugemischet werden oder schon darinnen vorhanden seyn muß, um daß diese Zerlegung erfolge.

*) Z. B. Wenn Schwerspath § XII. mit Luftsaurem Alkali § V., VI. beides fein zerrieben unter einander gemischt und geglühet wird, so gehet die Vitriolsäure des Schwerspathes mit dem Alkali als vitriolisirten Weinstein § XXXIV. zusammen, und die Schwererde des Schwerspathes nimmt die Luftsäure an sich und zeigt sich als luftsaure alkalische Erde § XII. Hier ist das bloße Feuer hinreichend diese Verbindung zu bewerkstelligen, eben so wenn Salpeter § XXXV. mit Thon geschmolzen oder destillirt, und hierdurch die Salpetersäure ausgeschieden wird, so ist dies auch der trockene Weg.

**) Wenn die mit Salzsäure sich in Auflösung befindende Kalcherde durch das liftsaure flüchtige Alkali § VII. zerlegt werden soll, so ist schlechterdings eine gehörige Menge Wasser nöthig, sonst geschiehet keine Zerlegung, dies ist der nasse Weg; eben so ist es der nasse Weg, wenn Phosphorsäure § LII. aus den Knochen durch Vitriolsäure abgeschieden wird.

§ LXVI.
Erklärung 18.

Ein Verhältniß (Relatio s. Ration) ist der wechselseitige Einfluß zweier Dinge auf einander, und also ein chymisches Verhältniß (Relatio chymica) die Art wie ein Element: mit einem gewissen andern in Auflösung tritt, und wie diese Auflösung durch ein andres Element wiederum aufgehoben wird. Wenn man dabey auf das Gewicht der Massen (Erkl. 14.) nicht Rücksicht nimmt, so ist es ein quanlitatives oder Eigenschaftsverhältniß (Relation qualitativa); kommt aber das Gewicht der Massen in Betracht, so wird ein solches ein quantitatives oder Massenverhältniß (Relatio vel Ratio quantitativa) der Elemente genennet.

[Es folgt der Zweite Abschnitt, welcher einige nöthige mathematische Vorkenntnisse enthält.]

Die reine Stöchyometrie.

§ LXXVI.
Erklärung 1.

Die Stöchyometrie (Stöchyometria) ist die Wissenschaft die quantitativen oder Massenverhältnisse (Einleit. Erkl. 18.) zu messen, in welchen die chymischen Elemente (Einl. Erkl. 3.) gegen einander stehen. Die bloße Kenntniß dieser Verhältnisse könnte man quantitative Elementlehre (Stöchyologia quantitativa) nennen.

Erfahrung 1.

Die Elemente sind selten für sich und im strengsten Sinne genommen, niemals rein, wenn man solche auch übrigens im freien Zustande (Einl. Erkl. 12.) rein darstellet, so kann doch eine große Anzahl derselbigen nicht ganz vom Wasser befreit werden*) .

*) Alle Erden, die fixen alkalischen Salze und feuerbeständigen Säuren, können in freien Zustande von fremder Beimischung rein und Wasserfrey dargestellt werden.

Zusatz

Wenn man dahero die quantitativen Verhältnisse der Element ausfindig machen will, so müssen die vorher in einen solchen Zustand versetzt werden, in welchem man sie als rein betrachten kann.

Erfahrung 2.

Nicht alle Elemente ohne Unterschied treten mit einander in Neutralität oder gehen neutrale Verbindungen ein (Einl. Erkl. 18), sondern es werden hiezu jederzeit zwey Elemente verschiedener Ordnung oder Geschlecht, Gattung oder Art erfordert (Einl. § IV.)

Erfahrung 3.

Ein Element ist im Stande ein andres aus seiner eingegangenen neutralen Verbindung abzutrennen, und sich mit deren andern Element in Auflösung und Neutralität zu setzen, das heißt ein Element übertrifft das andre an Verwandtschaft (Einl. Erkl. 13.) Z. B. Vitriolsäure scheidet die Salzsäure von der Kalcherde ab, und so kann die Vitriolsäure wiederum von der Zuckersäure aus ihrer neutralen Verbindung gesetzt werden, die sie mit der Kalcherde eingegangen hatte.

Erfahrung 4.

Ein Element hält in seiner Verwandtschaft gegen eine Anzahl andrer Elemente nicht dieselbe Ordnung, als ein andres Element gegen eben diese Anzahl. So beweist z. B. die Zuckersäure in ihrer Verwandtschaft gegen die Alkalien eine ganz andre Ordnung als die Vitriolsäure.

Zusatz

Man kann sich dahero in einerley Elemente und bey einerley Masse desselben so viele Grade nach verschiedenen Verwandtschaften oder Kräften denken, als neutrale Verbindungen mit ihm möglich sind.

Grundsatz 1.

Jedem unendlich kleinen Theilganzen der Masse (Einl. Erkl. 14.) eines Elementes kommt ein unendlich kleiner Theil der chymisch-anziehenden Kraft oder Verwandtschaft zu.

Grundsatz 2.

Die Massen der Elemente sind ihren Räumen gleichförmig ausgedehnt und es ist kein Grund vorhanden, warum man in einem Theile ihres Massenraumes mehr Masse als in einem andern Theile desselben annehmen sollte.

Zusatz

Dahero verhalten sich in einerley Elemente die Gewichte der Massentheile wie die Räume, so sie einnehmen.

Erfahrung 5.

Wenn man aus zwey Elementen eine neutrale Verbindung macht, so braucht man, daferne jedes der Elemente einmal wie das andre von einerley Beschaffenheit ist, das eine mans von beiden eben die Menge wie das andre mal. Z. B. wenn 2 Theile Kalcherde 5 Theile Salzsäure zur Auflösung erfordern, so erfordern 6 Theile derselben Kalcherde 15 Theile von eben derselbigen Salzsäure.

Erfahrung 6.

Wenn zwey neutrale Auflösungen (Einl. Erkl. 8.) mit einander vermischet werden und es erfolget eine Zersetzung (Einl. Erkl. 16.) so sind die neu entstandenen Produkte (Einl. Erkl. 15.) fast ohne Ausnahme ebenfalls neutrale, sind aber die Auflösungen beide oder eine derselbigen vor der Mischung nicht neutral gewesen, so sind es auch die nach der Mischung entstandenen Produkte eben so wenig.

Zusatz 1.

Die Elemente müssen dahero ein bestimmtes Massenverhältniß unter sich haben, wovon der Stoff ihrer neutralen Verbindungen (Einl. Erkl. 14) öfters einen Bestimmungsgrund abgeben kann.

Zusatz 2.

Wenn also die Gewichte der Massen zweier neutralen Verbindungen, die einander neutral zerlegen A und B sind und die Masse des einen Elementes in A ist a, die des einen in B ist b, so sind die Massen der Elemente in A, A-a, a, und die in B sind B-b, b. Die Massenverhältnisse der Elemente in den neutralen Verbindungen vor der Zersetzung sind A-a:a und B-b:b; nach der Zersetzung aber sind die Massen der neu entstandenen Produkte a+B-b, und b+A-a und das Massenverhältniß ihrer Elemente a:B-b, b:A-a. Wenn also das Massenverhältniß in den Verbindungen A und B bekannt ist, so ist solches auch in den neu entstandenen Produkten bekannt.

Zusatz 3.

Wenn a+B-b = C und b+A-a = D ist, so ist a = C+b-B = b+A-D und C-B = A-D desgleichen D-B = A-C. Ferner ist b=a+B-C = D-A+a.

§ LXXVII.
Lehrsatz 1.

Die chymisch-anziehende Kraft oder Verwandtschaft womit ein Element a mit einem andern (A-a) in Neutralität tritt (Einl. Erkl. 8), setzt eine eben dergleichen entgegenwirkende bey dem letzteren voraus und diese beiden Kräfte sind einander gleich.

Lehrsatz 2.

Wenn eine neutrale Verbindung A deren Elementmassen A-a und a sind durch eine bestimmte Masse eines dritten Elements b (Einl. Erkl. 16.) völlig aufgehoben und hierdurch die ganze Masse des einen Elements z. B. a frey abgeschieden wird, (Einl. Erkl. 12.) Erf. 3. So ist die Kraft welche diese Erscheinung zuwege bringt, dem Verwandtschaftsunterschiede (Erkl. 2.) des trennenden Elements b und des abgetrennten Elements a gleich.

§ LXXVIII.
Lehrsatz 3.

Wenn zwey neutrale Verbindungen A und B deren Massen der Bestandtheile A-a, a und B-B, b sind, einander zerlegen, so daß die neuen Verbindungen A-a+b und B-b+a (Erf. 6. Zus. 2) entstehen, so sind die Kräfte wodurch diese Erscheinung zum Theil befördert zum Theil gehindert wird, den Verwandtschaftsunterschieden der Elemente A-a und B-b gegen jedes der Elemente a und b gleich.

§ LXXIX.
Erklärung 3.

Die specifische Schwere (Gravitas specifica) oder Dichtheit (densitas) zweier Materien ist das Verhältniß ihrer Gewichte bey gleichem Raume den sie einnehmen, derjenige Körper welcher bey einerley Raum mit dem andern mehr wiegt als der andre ist specifisch schwerer (specifice gravius) und der andre specifisch leichter (minus specifice grave).

Erklärung 4.

Diejenige specifische Schwere welche der Masse (Erkl. 14.) der Elemente und neutralen Verbindungen zukommt, wenn sie rein, ohne Zwischenräume und in dem kleinsten Raume betrachtet werden, den sie einzunehmen im Stande sind, wollen wir die reine Schwere (Gravius pura) der Elemente und neutralen Verbindungen nennen; betrachtet man die Sp. Schwere oder Dichtheit erwähnter Materien nicht unter diesen Bedingungen, so wird sie die gemischte Schwere (gravitas impura s. mixta) genennet.

Lehrsatz 4.

Die sp. Schweren zweier Materien verhalten sich gegen einander wie die Produkte aus ihren Räumen in die wechselseitigen Gewichte, oder wie die Produkte aus ihren Gewichten in die wechselseitigen Räume umgekehrt.

Willkührlicher Satz.

Die sp. Schwere einer jeglichen Materie wird durch den Quotienten ausgedrückt, welcher entstehes, wenn man ihr Gewicht durch das des Wassers dividiret, so mit ihr gleichen Raum einnimmt (Erkl. 3.).

Lehrsatz 5.

In jeder Verbindung, deren Masse und sp. Schwere bekannt ist, sind bey bestimmten Massen der Bestandtheile, die sp. Schweren derselben, und bey der gegebenen sp. Schwere des einen Bestantheiles die Massen derselbigen unbestimmt.

§ LXXXI.
Lehrsatz 6.

Wenn die reinen Schweren der Bestandtheile einer Auflösung einander gleich sind, so bleibt die reine Schwere der Auflösung der reinen Schwere der Bestandtheile in jedem beliebigen Massenverhältniß derselben gleich.

§ LXXXII.
Lehrsatz 7.

In einer jeglichen Auflösung aus zwey Bestandtheilen verhalten sich die Massen derselben, wie die Produkte aus der reinen Schwere des einen in den Unterschied der reinen Schweren der Auflösung und des andern Bestandtheils. (No. 1.)

Lehrsatz 8.

In jeglicher Auflösung verhält sich ihre Masse zu der eines Bestandtheies, wie das Produkt aus ihrer reinen Schwere in den Unterschied reiner Schweren beider Bestandtheile, zum Produkte aus der einen Schwere des einen Bestandtheiles in den Unterschied reiner Schweren der Auflösung und des andern Bestandtheiles. (No. 2.)

[Es folgen weitere Verhältnisse der Schweren.]

§ LXXXVIII.
Lehrsatz 16.

Die verschiedene sp. Schwere eines Elementes im freien Zustande (Einl. Erkl. 12.) trägt nichts zu seiner Verwandtschaft gegen andre bey.

[Es folgen Berechnungen von Verhältnissen der Schweren.]

§ CIII.

Wenn man sich in der Anzeige der Wahrheiten von der Umkehrung der Verwandtschaften durch das Feuer oder auf dem trockenen Wege, zum Theil auf die drey ersten Lehrsätze gestützet, so ist dies nicht so zu nehmen; als wenn man die Verbindungen, so die Elemente mit der Feuermaterie eingehen, insgesammt mit den übrigen, auf welche sich diese Lehrsätze erstrecken, als neutrale betrachtete, denn dies möchte wohl vielen Schwierigkeiten unterworfen seyn, ohnerachtet es sich, wenn es nur auf das Klopsechten ankäme, wohl noch vertheidigen ließe. Allein von der Wirkung des feuers auf chymische Elemente geltet das, was von der Kraft der letztern geltet, wenn sie neutrale Verbindungen unter sich machen. Wenn ein Element vom andern sich blos durch das Feuer trennen lässet, so muß wenigstens bey dem einen eine Kraft vorhanden seyn, vermittelst welcher es mit der Feuermaterie in Verbindung tritt und sich von dem andern Element trennert, und diese Kraft ist der Kraft, womit das Feuer auf das Element wirkt, eben so entgegen gesetzt, wie es die Kräfte in den neutralen Verbindungen sind. Überhaupt kann man ja auch diese Lehrsätze noch weiter ausdehnen, ob ich sie zwar nur auf die neutralen Verbindungen meiner Absicht gemäß eingeschränkt, weil es die chymische Meßkunst fürs erste größtentheils nur mit diesen zu thun hat und solche allen übrigen auszumittelnden quantitativen Verhältnissen und Verwandtschaftserscheinungen zum Grunde liegen. So wie nun aber die Feuermaterie auf ein Element wirken kann, also kann sie auch ohne Widerspruch auf mehrere wirken, die mit einander in Neutralität stehen, und dies kann unter solchen Bedingungen geschehen, daß ein Element einen Theil seiner anziehenden Kraft, womit es mit dem andern die Netralität behauptete, auf die Feuermaterie wenden muß, wodurch natürlicher Weise eine Negation in den Kräften entstehet, vermittelst welchen die Neutralität erhalten wurde.


Quelle:

  1. J. B. Richter: Anfangsgründe der Stöchyometrie. Erster Theil. Welcher die reine Stöchyometrie enthält. Breßlau und Hirschberg, 1792.
  2. J. B. Richter: Anfangsgründe der Stöchyometrie. Zweiter Theil. Welcher die angewandte Stöchyometrie enthält. Breßlau und Hirschberg, 1793.
  3. J. B. Richter: Anfangsgründe der Stöchyometrie. Dritter Theil. Welcher die angewandte Stöchyometrie enthält. Breßlau und Hirschberg, 1793.


© 2015 Dr. Rainer Stumpe