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Verhältnisse, in denen sich die Stoffe mit einander vereinigen.

  1. Sättigung.
    Fügt man zu einem flüssigen Körper einen anderen festen oder tropfbaren oder elastischen flüssigen, gegen den er eine Affinität zeigt, so wird bei fortgesetztem Hinzufügen, wenn der letztere Körper fest ist, immer, wenn er flüssig ist, zuweilen, ein Zeitpunkt erfolgen, wo der erstere nicht mehr von letzterem aufnehmen kann. Alsdann ist der Sättigungs-, Saturationspunkt des Auflösemittels eingetreten, es ist gesättigt, saturiert; es hat sich eine gesättigte Auflösung, solutio saturata, gebildet.
    Wasser und Kochsalz; Wasser und Aether; Wasser und kohlensaures Gas; Weingeist und Campher.
    Dieser Sättigungspunkt ist je nach der Temperatur und dem Luftdruck veränderlich, wenn die Affinität zwischen den beiden Stoffen gering ist; er ist fix, wenn diese groß ist.
    Manche Flüssigkeiten zeigen gegeneinander keinen Saturationspunkt, man kann sie nach allen Verhältnissen mischen. Wasser und Weingeist; Weingeist und Aether.
  2. Neutralisation.
    Werden zwei Körper vereinigt, die in ihren sinnlichen Attributen, wie Geschmack, eine große Verschiedenheit zeigen, so heben sich ihre entgegengesetzten Eigenschaften mehr oder weniger vollständig auf, sie neutralisieren sich und es ent­steht ein mehr neutrales Drittes. Diese Neutralisation ist bei einem gewissen Verhältnise beider Stoffe gegeneinander am vollständigsten, und der Punkt bei welchem diese Aufhebung am vollständigsten statt findet, ist der Neu­tra­li­sa­tions­punkt. Dieser Ausdruck wird beinah ausschließlich für die Verbindung der Säuren mit den salzfähigen Basen an­ge­wen­det. Salzsäure und Ammoniak.
  3. Feste Verhältnisse nach denen sich die Stoffe vereinigen.
    Stoffe die nur geringe Affinität gegen einander haben, lassen sich in mancherlei Verhältnissen verbinden, ohne daß die Verbindung in diesem oder jenem Verhältnisse etwas Ausgezeichnetes zeigte; so ist auch ihr Saturationspunkt ver­än­der­lich. Wasser und Weingeist; Wasser und Zucker. Je größer hingegen die Affinität zwischen zwei Stoffen ist, desto deutlicher zeigt sich bei ihnen das Bestreben, sich nur nach gewissen Verhältnissen zu vereinigen.
    1. Einige Stoffe gehn nur nach einem einzigen unveränderlichen Verhältnisse eine Vereinigung ein; jeder Überschuß des einen oder anderen bleibt unverbunden. 100 Sauerstoff verbindet sich immer mit 13,2 Wasserstoff zu Wasser; 440 Chlor verbinden sich immer mit 13,2 Wasserstoff zu Salzsäure.
    2. Die meisten Stoffe vereinigen sich miteinander in verschiedenen Verhältnissen, allein es findet hierbei kein all­mä­liger Uebergang vom Minimum der Verbindung bis zum Maximum statt, sondern es finden nur in 2 bis 5 Ver­hält­nis­sen Verbindungen statt, welche sich sowohl durch physische als chemische Verhältnisse als ei­gen­thüm­liche zu er­ken­nen geben, während alle übrige unzählige mögliche Verbindungen zwischen zwei Stoffen entweder als Ge­men­ge oder auch als lose Gemische zweier solcher eigenthümlichen Verbindungen oder einer eigenthümlichen Verbindung mit dem Ueberschuß der einen Materie anzusehen sind.1) 1300 Blei bilden mit 100 Sauerstoff ein gelbes, mit 150 ein rothes und mit 200 Sauerstoff ein braunes Bleioxyd; 330 Eisen bilden mit 100 Sauerstoff eine schwarze magnetische, mit 150 Sauerstoff eine bräunlichrothe nicht magnetische Verbindung; dieselbe Menge Eisen bildet mit 200 Schwefel ein magnetisches, mit 400 Schwefel ein nicht magnetisches Schwefeleisen.
  4. Verhältniß, in welchem die festen Vereinigungsprodukte bei denselben zwei Stoffen zu einander stehen:
    Wenn sich a mit b in verschiedenen Verhältnissen vereinigt, so giebt die geringste Menge von b, die a aufnimmt mit 1 1/2, 2, 3, 5 und mehr multipliziert die Menge von b, welche a in den übrigen Verbindungen aufnehmen kann. Außer den obigen Beispielen noch folgende: 179 Stickgas verbinden sich mit 100, mit 200, mit 300 und mit 500 Sauerstoff. - 75,4 Kohlenstoff verbinden sich mit 100 und mit 200 Sauerstoff; mit 13,2 und mit 26,4 Wasserstoff.
    Sämmtliche fixe Verbindungen, soweit sie genau bekannt sind, gehorchen diesem Gesetze.
  5. Verhältnis, in welchem die in die Verbindung eingehende Gewichte der verschiedenen Materialien zu einander stehen.
    Wenn sich 1 Pfund a mit 3 Pfund b verbindet, und 3 Pfund b sich mit 8 Pfund c verbindet, so muß die Verbindung von a mit c erfolgen entweder in dem Verhältniße von 1 zu 8, oder in einem Verhältnisse, wo entweder 1 oder 8 mit 1 1/2, 2, 3, 5 und mehr multipliziert ist.
    Beisp. Wasserstoff = a vereinigt sich mit Sauerstoff = b in dem Gewichtsverhältnisse von 13,2 : 100; 100 Sauerstoff vereinigen sich in Kohlenoxydgas mit 75,4 Kohlenstoff = c; und wirklich vereinigen sich auf gerade 75,4 Kohlenstoff mit 13,2 Wasserstoff um ölerzeugendes Gas, und mit 2. 13,2 = 16,4 um Kohlenwasserstoffgas zu bilden. - 1300 Blei vereinigen sich mit 200 Schwefel zu Bleiglanz; der Schwefel verhält sich also zum Sauerstoff wie 200 : 100 und wirklich bildet der Schwefel mit 2. 100 = 200 Sauerstoff schweflige Säure, und mit 3. 100 = 300 Sauerstoff Schwefelsäure; ferner bilden 200 Schwefel mit 13,2 Wasserstoff Hydrothionsäure, und 2 . 200 = 400 Schwefel bilden mit 75,4 Kohlenstoff den Schwefelalkohol.
    Man muß daher einem jeden Stoffe ein constantes Gewicht, Mischungsgewicht 2) zuschreiben, in welchem er sich mit den übrigen vereinigt; die Bestimmung dieses Gewichtes ist jedoch einiger Willkühr unterworfen, da sich nicht mit Bestimmtheit angeben läßt, ob a mit 1 oder mit 1 1/2 oder mit 2 b u. s. w. vereinigt ist; so nehmen Davy und Berzelius an, daß im Wasser zwei Mischungsgewichte Wasserstoff mit einem Sauerstoff vereinigt sind, und das Mischungsgewicht des Wasserstoffs zu dem des Sauerstoffs verhält sich daher nach ihnen 13,2/2 : 100. Nach Daltons und Wollastons Annahme hingegen ist das Mischungsgewicht Wasserstoff mit einem Sauerstoff verbunden, und das Mischungsgewicht des Wasserstoffs zu dem des Sauerstoffs verhält sich 13,2 : 100.
    Ebenfalls der Willkühr unterworfen ist die Bestimmung, welches Mischungsgewicht zur Einheit genommen werden müsse, da die Zahlen nur relativ sind. Dalton und Davy nehmen das Mischungsgewicht des Wasserstoffs zur Einheit an, weil es das kleinste ist; Wollaston und Berzelius das Mischungsgewicht des Sauerstoffs, weil er die mannigfaltigsten Verbindungen mit den übrigen Stoffen eingeht. 3)
    Wird eine Verbindung von 1 a mit 1 b zusammengebracht mit einer Verbindung von 1 c mit 1 d und es vereinigt sich a mit c und b mit d, so ergibt sich aus dem Gesagten, daß a gerade eine proportionirte Menge von c und b gerade eine proportionirte Menge von d vorfindet. Schwefelsaures Kali und salzsaurer Baryt. Richter stellte bei den Salzen zuerst dieses Gesetz als Neutralisationsgesetz auf, sofern zwei neutrale Salze bei ihrer wechselseitigen Zersetzung fast immer neutrale Salze bilden.
    Eine schöne Ausdehnung erhält dieses große Gesetz über das constante Mischungsgewicht eines jeden Stoffes dadurch, daß das Mischungsgewicht eines zusammengesetzten Stoffes gerade die Summe ist von den Mischungsgewichten seiner Bestandtheile. Die Schwefelsäure ist zusammengesetzt aus 200 Schwefel und 3. 100 Sauerstoff, ihr Mischungsgewicht ist demnach 500. Das gelbe Bleioxyd enthält auf 1300 Blei 100 Sauerstoff; sein Mischungsgewicht ist also 1400. Diese 1400 Bleioxyd vereinigen sich gerade mit 500 Schwefelsäure. Es erklärt sich hieraus, warum bei dergleichen Verbindungen, welche beide Sauerstoff enthalten, die Sauerstoffmenge in einem Körper im einen einfachen Verhältnisse steht zur Sauerstoffmenge im anderen; ferner, warum Bleiglanz, der aus gleichen Mischungsgewichten Blei und Schwefel besteht, durch Hinzufügen von Sauerstoff zu schwefelsaurem Bleioxyd wird, ohne daß ein Ueberschuß von Schwefelsäure oder Bleioxyd gebildet würde.
  6. Raumverhältnisse, in denen sich die elastisch flüssigen Stoffe mit einander vereinigen.
    1. Zwei elastische flüssige Körper, sie seien Gasarten oder Dämpfe, verbinden sich immer in dem einfachsten Raumverhältnisse; nämlich 1 Maas auf 1; 2; 2,5; 3 oder 4 Maaße und 3 Maaße auf 4 Maaße.
    2. Wenn der aus dieser Verbindung entstehende Körper ebenfalls elastisch flüssig ist, so steht sein Volumen in einem sehr einfachen Verhältnisse zu dem der ihn zusammensetzenden elastischen Flüssigkeiten.
      1. Sein Volumen beträgt die Summe des Volumens der verbundenen elastischen Flüssigkeiten; dies findet meistens statt, wenn die Verbindung aus gleichen Maaßen beider Flüssigkeiten zusammengesetzt ist.
      2. Sein Volumen beträgt 2/3 der Summe; dies ereignet sich jedesmal, wenn sich 2 Maaße mit einem Maaße verbinden.
      3. Sein Volumen beträgt 1/2 der Summe; diese Verminderung zeigt sich 1) bisweilen, wenn gleiche Maaße die Verbindung constituiren; 2) wenn 3 Maaße des einen Stoffs auf 1 Maaß des anderen kommen.
    3. Da, wenn sich ein oder mehrere Mischungsgewichte von a mit einem oder mehreren Mischungsgewichten von b verbinden, sich zugleich ein mehrere Maaße von a mit einem oder mehreren Maaßen von b vereinigen, sofern nämlich a und b den elastisch flüssigen Zustand annehmen können; - so muß das specifische Gewicht der elastischen Flüssigkeit in einem sehr einfachen Verhältnisse zu ihrem Mischungsgewichte stehen. So ist auch in der That, das specifische Gewicht der Sauerstoffgas zu 100 gesetzt, das specifische Gewicht des Wasserstoffgases = 13,2/2, des Stickgases = 179/2, des Chlorgases 440/2 u. s. w.
      Keineswegs ist aber Mischungsgewicht und Volum gleichbedeutend: denn ein Volum oxydirtes Stickgas und ein Volum Salpetergas z. B. enthalten beide nur 1/2 Volum Sauerstoffgas, und doch enthält des erstere Gas ein Mischungsgewicht, das letztere 2 Mischungsgewichte Sauerstoff. 4)

    Anmerkung. Die hier aufgeführte wichtige Lehre über die festen Verhältnisse, nach denen sich die Körper sowohl ihrem Gewichte, als auch ihrem Volumen nach verbinden, welche die Chemie einer mathematischen Bearbeitung fähig macht, hat erst in den neuesten Zeiten ihre vollständige Ausbildung erhalten. Schon die älteren Chemisten nahmen an, daß viele Verbindungen nur nach bestimmten Proportionen erfolgen, Wenzel, Bergmann, Kirwan, Berthollet suchte die Zahl der fixen Verhältnisse einzuschränken, und nahm Uebergänge aus der Verbindung im Minimum zu der Verbindung im Maximum an. Proust widersprach ihm mit Glück, auf genaue Versuche gestützt. Richter stellte zuerst die Idee vom Mischungsgewicht auf, doch waren die von ihm für die Säuren und salzfähigen Basen aufgefundenen Mischungsgewichte nicht genau. Higgins und Gay-Lussac entdeckten die einfachen Verhältnisse, in denen sich die elastischen Flüssigkeiten dem Volumen nach verbinden. Berzelius entdeckte durch sehr genaue Versuche das einfache Gesetz, nach dem sich dieselben zwei Stoffe in verschiedenen Verhältnissen verbinden; zugleich fand er das Mischungsgewicht vieler Stoffe auf, wobei er jedoch alles als Sauerstoff anhängig ansah. Dalton, der diesen Gegenstand zu derselben Zeit bearbeitete, betrachtete ihn von einem allgemeineren aber hypothetischen schon früher von Higgins aufgefaßten Gesichtspunkt aus, indem er das Mischungsgewicht der Körper als das relative Gewicht ihrer Atome ansah.

    100 M. Wasserstoffgas Verbinden sich mit 50 M. Sauerstoffgas u. bilden damit 100 M. Wasserdampf (b)
    100 - Kohlenoxydgas - - 50 - - - 100 - Kohlensaures Gas (b)
    100 - Chlorgas - 100 - Wasserstoffgas - 200 - Salzsaures Gas (a)
    100 - Stickgas - 50 Sauerstoffgas - 100 - Oxydirtes Stickgas (b)
    100 - - - 100 - - - 200 - Salpetergas (a)
    100 - - - 150 - - - ? Salpetrigsaures Gas
    100 - - - 250 - - -   Salpetersäure
    100 - Salpetergas - 25 - - - ? Salpetrigsaures Gas
    100 - - - 75 - - -   Salpetersäure
    100 - Stickgas - 300 - Wasserstoffgas - 200 - Ammoniakgas ©
    100 - Ölerzeugendes Gas - 100 - Wasserdampf - 400 - Alkoholdampf ©

Fußnoten
  1. Die Kriterien um zu entscheiden, was als eine eigenthümliche Verbindung anzusehen sei, und was als ein Gemeng oder loses Gemisch, zweier solchen Verbindungen, besteht vorzüglich aus folgendem:
    1. Der Saturationspunkt, der bei größerer Affinität fix ist, bestimmt zweier eigenthümliche Verbindungen, indem ich mir einmal a mit b und das andremal b mit a gesättigt denke.
    2. Jede Verbindung, die sich rein krystallisieren läßt, kann als eigenthümliche angesehen werden.
    3. Desgleichen jede Verbindung, von der sich darthun läßt, daß sie als Ganzes irgend eine neue Verbindung eingeht.
    4. Endlich jede Verbindung, die entsteht, wenn durch die einwirkende Affinität einer im Ueberschuß verbundenen dritten Materie c sie sei wägbar, oder unwägbar, der Verbindung a b eine bestimmte Menge von a oder von b entzogen wird. Schwefeleisen im Minimum durch Glühen des Schwefelkieses; antimoniale Säure durch Glühen der Antimonsäure; Kohlenoxydgas durch Behandlung der Kohlensäure mit Eisen.
  2. Dieses Wort scheint mir die Sache am Besten zu bezeichnen, es ist dem Worte specifisches Gewicht analog gebildet, bedeutet das Gewicht, mit welchen ein Stoff in seine Verbindungen, Mischungen eingeht. Das Wort Atom erinnert an eine Hypothese, das Wort Gewichtsverhältnis ist nicht bezeichnend, da man darunter eben so gut das specifische Gewicht verstehen kann; das Wort chemisches Aequivalent ist zu lang.
  3. Doch würde die Proportionslehre, freilich in weniger vollkommener Gestalt, noch bestehen, wenn gleich kein Sauerstoff existirte. Berzelius ist hierüber anderer Meinung.
  4. Davy und Berzelius nehmen vorzüglich deshalb an, daß das Wasser aus einem Mischungsgewicht Sauerstoff auf 2 Wasserstoff bestehe, weil sich 1 Maaß Sauerstoffgas mit 2 Maaßen Wasserstoffgas vereinigt. Doch bleibt sich Davy nicht consequent, indem er z. B. bei der Vereinigung von 2 Maaßen Stickgas mit 1 Maaß Sauerstoffgas annimmt, es vereinige sich 1 Mischungsgewicht Stickstoff mit einem Mischungsgewicht Sauerstoff, und bei der Vereinigung von 1 Maaß Chlorgas mit 1 Maaß Wasserstoffgas annimmt, es vereinige sich 1 Mischungsgewicht Chlor mit 2 Mischungsgewichten Wasserstoff. - Man kann sämmtliche elastischen Flüssigkeiten in 3 Classen abtheilen, von denen bei gleichem Volum die erste Classe 4mal soviel und die zweite doppelt soviel Mischungsgewichte enthält, als die dritte; Zur ersten Classe gehören: Sauerstoffgas und ölerzeugendes Gas; zur zweiten: Wasserstoffgas, Kohlenstoffdampf ? Schwefeldampf ? Joddampf, Chlorgas, Stickgas, Wasserdampf, Kohlenoxydgas, kohlensaures Gas, schwefligsaures Gas, hydrothionsaures Gas und oxydirtes Stickgas: — zur dritten Classe gehören: hydriodsaures Gas, salzsaures Gas, Salpetergas, und Ammoniakgas.— Die elastischen Flüssigkeiten von derselben Classe verbinden sich zu gleichen Mischungsgewichten, wenn sie sich zu gleichen Maaßen verbinden; hingegen bei der Verbindung gleicher Maaße elastischer Flüssigkeiten aus zwei verschiedenen Classen verbinden sich 4 oder 2 Mischungsgewichte mit einem.
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